Texte
zum Künstler
Peter
Baum "Zeugnisse innerer Freiheit – zur informellen Periode
von Peppino Wieternik"
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Spätestens
seit Beginn der sechziger Jahre, der Entstehungszeit einiger seiner
besten Bilder, zählt Peppino Wieternik zu den wenigen österreichischen
Künstlern, die sich mit überzeugender Konstanz jenen bildnerischen
Möglichkeiten und Gestaltfindungsprozessen zuwenden, die man – zumindestens
zum überwiegenden Teil – dem Informel zuordnen kann. Sicherlich:
Das „action painting“ der Amerikaner, die um 1950 in Tropfenmanier
unter Ausnützung gesteuerter Zufälligkeiten entstandenen „drippings“
eines Jackson Pollock, sind an Wieternik nicht spurlos vorbei gegangen.
Wieternik war jedoch nie ein bloßer Imitator des damals über die
ganze westliche Welt verbreiteten, in den USA und Paris geradezu
Schule machenden Stils. Er war aber auch ebenso wenig ein ausgesprochener
Tachist und reiner Fleckenmaler, sondern ein sensibler, rasch reagierender,
wissbegieriger Künstler, der die grundlegenden Impulse dieser Richtung
aufnahm und seinen bildnerischen Absichten unterzuordnen verstand.
Nicht Tachismus als Selbstzweck und modische Attitüde, sondern als
Basis eines neuen Selbstverständnisses von malerischer Freiheit
waren sein Anliegen und subjektiver Gewinn.
Wieternik
interessierte vor allem die, das action painting charakterisierende,
freizügige und dennoch kontrollierte, den selbstgewählten, - im
Bild objektivierten – Gesetzmäßigkeiten unterworfene malerische
Methode. Als er gegen Ende der fünfziger Jahre erstmals Malereien
des 1948 in New York durch Selbstmord geendeten Ashile Gorky sah,
fand er sich in seinem Anliegen durch die Meisterschaft des gebürtigen
Armeniers bestätigt. Vorübergehende tachistische Effekte wurden
von da an in Wieterniks Bildern und Gouachen immer seltener und
deutlich zurückgedrängt. An ihre Stelle trat eine im Sinne handschriftlicher
Motorik und großzügiger malerischer Gestik bestimmte, auf Gestaltungszusammenhänge
bedachte Vorgangsweise. Sie besaß ihren Ausgangspunkt in der menschlichen
Figur als freie Assoziationsbasis und Ausgangspunkt spontanen bildnerischen
Vollziehens.
Als
Angehöriger jener Generation, die dem 2. Weltkrieg in vielerlei
Hinsicht Tribut zahlen musste, hatte der 1919 Geborene an der Wiener
Akademie der bildenden Künste jenes solide handwerkliche Fundament
mitbekommen, das zunächst die nach Ausbildung und Anschauung erwartungsgemäßen
Entwicklungsstadien des Akademischen Malers bestätigte. Das eigentliche
künstlerische Freispielen gelang Peppino Wieternik jedoch erst später
mit der konzentrierten Hinwendung auf die dem Informel im erläuterten
Sinn zugeordneten Methode.
Für
einen Großteil seiner Werke ist das auffallende Spannungsverhältnis
zwischen reiner Malerei und stärker graphisch betonten Elementen
charakteristisch. Dies gilt vor allem für eine Reihe 1960 entstandener
farbiger Zeichnungen, die im allgemeinen den figürlichen Ausgangs-
und Anhaltspunkt deutlicher erkennen lassen als die größeren Abstraktionen,
gemalt mit Ölfarben oder Kunstharz auf Leinwand. In Wieterniks Graphiken
vollzieht sich – so es sich nicht um reine Schwarzweißblätter handelt
– das zeichnerische Geschehen zumeist auf monochrom nuancierten
Gründen. Zeichnung und Hintergrund verschmelzen dabei jedoch weniger
als in den wesentlich expressiveren Bildern, in denen das vehemente
malerische Geschehen verschiedenartigste Raumwirkungen erzeugt.
Wieternik erweist sich in diesen großen Formaten als Vollblutmaler
kraftvoller persönlicher Rhythmik. Seine Bilder besitzen Vitalität
und Großzügigkeit. Die klare Ordnung ihrer Konzeption lässt dabei
das Detail voll zur Geltung kommen. In spontan gesetzten Farbkringeln,
Verläufen, Überlagerungen, gelegentlichen Farbspritzern und stärker
flächig gemalten, ruhigen Bildpartien überträgt Peppino Wieternik
– temperamentvoll improvisierend – seelische Zustände, Augenblicke
der Intuition und eines mitunter beinahe automatisch ablaufenden
künstlerischen Handelns auf die Fläche. Diese Vorgänge verdichten
sich in der Summe ihrer Aspekte und Spannungen zum eigentlichen
Bild und Bildgeschehen, das selbstgewählten Gesetzmäßigkeiten gehorcht.
Die Malerei des Wieners trifft sich darin mit der Theorie der führenden
internationalen Künstler des Informel. Bei aller Subjektivität
im malerischen Vollzug unterliegt sein Schaffen somit jenen vergleichbaren
Kriterien, die - unter Voraussetzung entsprechenden, künstlerischen
Verstehens und Vermögens und nicht modischer Effekte wegen
- als entscheidendes Bindeglied für die Vorgangsweise und Grundhaltung
genannt werden können, welche die freie Abstraktion insgesamt
kennzeichnet und objektiviert.
Der
Grad und die Art gegenständlicher Assoziationen und eventuellen
Abhängigkeiten (so mitunter in Richtung sehr freier "Stilleben")
spielt für die Beurteilung der Malerei selbst bestenfalls eine
untergeordnete Rolle. Wieterniks vitale malerische Zeugnisse (darunter
so maßgebende Bilder wie "Die Sonne rinnt über meinen
Körper") halten nicht nur im formalen Vollzug stand, sondern
auch in der Übereinstimmung dieser Werte mit der ihnen vorausgehenden
inneren Einstellung. Ernsthaftes Bemühen um ein Ziel, von dem
man zwar überzeugt ist, das es jedoch von Bild zu Bild neu zu
erreichen und ergänzend zu erkennen gilt, bedeutete Peppino
Wieternik stets mehr als die Flucht in handwerkliche Routine und
künstlerische Opportunität. Seine logische, einen Zeitraum
von rund eineinhalb Jahrzehnten umspannende Reihe von Abstraktionen
ist - als Schwerpunkt seines bisherigen Oeuvres - gerade auch unter
diesem Aspekt zu sehen und in der erfreulichen Fülle ihrer
Erscheinungen differenzierend zu werten.
Wieternik (1974): Weg und Wende S. 60ff
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